
Eine ostfriesische Mutter
schreibt ihrem Sohn
Lieber Sohn!
Ich schreibe Dir diesen Brief, damit Du
weißt, daß ich noch lebe. Ich schreibe langsam, weil
ich weiß, daß du nicht schnell lesen kannst. Wenn Du
wieder mal nach Hause kommst, wirst Du unsere Wohnung nicht mehr
wiederkennen, wir sind nämlich umgezogen. In der neuen
Wohnung war sogar schon eine Waschmaschine. Ich tat 14 Hemden
hinein und zog an der Kette. Die Hemden habe ich bis heute nicht
wiedergesehen. Vater hat jetzt neue Arbeit. Er hat 500 Leute
unter sich. Er mäht jetzt den Rasen auf dem Friedhof. Letzte
Woche ist Onkel Otto in einem Whisky-Faß ertrunken. Einige
Männer wollten ihn retten, doch er leistete heftigen
Widerstand. Wir haben ihn verbrennen lassen; es hat drei Tage
gedauert bis wir ihn gelöscht hatten. Deine Schwester Maria
hat gestern ein Baby bekommen. Da wir nicht wissen ob es ein
Junge oder ein Mädchen ist, weiß ich auch nicht, ob Du
jetzt Onkel oder Tante geworden bist. Letzte Woche hat es nur
siebenmal geregnet; erst 3 Tage, dann 4 Tage. Es hat so
gedonnert, daß unser Huhn viermal dasselbe Ei gelegt hat.
Vor vierzehn Tagen ist in unserem Dorf ein Unglück passiert.
Elf Männer sind beim Anschieben eines U-Bootes ertrunken. Am
Dienstag sind wir gegen Erdbeben geimpft worden. Deine Mutter
P.S.: Ich wollte Dir noch Geld mitschicken, aber
ich hatte den Brief schon zugeklebt.