PC Spiel 8/96
Entertainer

Hamlet auf klingonisch
Die
Außerirdischen sind längst unter uns: Sie tummeln sich
im Internet, sprechen eine seltsame Sprache und essen lebendige
Würmer.
Wer das Surfen im Internet ernst nimmt und sich von den
Datenwellen an unbekannte und absonderliche Orte tragen
läßt, kann unversehens auf ein seltsames Völkchen
treffen: Die Klingonen sind es, die unter uns leben und im Netz
eine Gemeinde aufgebaut haben, mit der sie die Welt erobern
wollen.
Wild, unbeherrscht und kriegslüstern sind sie, aber sie
respektieren ihre Feinde und ehren ihre Freunde. Und Ehre und
Ruhm sind es auch, was dieses Volk zusammenhält.
Aber sie sind mißtrauisch. Wer bei den doch eher harmlos
klingenden Botschaftern der Klingon
Imperial Diplomatic Force aufläuft, wird zum
Vorzeigen des Passes aufgefordert. Doch keine Angst, selbst ein
Mausklick auf einen romulanischen Paß öffnet alle
Türen obwohl doch die Romulaner die erklärten
Todfeinde der Klingonen sind.
Aber schließlich sind Klingonen weltoffen. Jedenfalls
sind es jene, die sich im Netz tummeln. Und wer des Klingonischen
nicht mächtig ist und gern diese (fiktive?) Sprache lernen
möchte, kann diverse Anlaufstellen aufsuchen.
Im deutschsprachigen Raum bietet sich da die Gruppe Khemorex Klinzhai
an, die aus acht Untergruppen besteht. Jede dieser Kleingruppen
hat einen Raumschifftitel, und die Mitglieder tragen
natürlich klingonische Namen. Interessant ist, daß
Khemorex gibt das Fanzine Renegade heraus, das
vierteljährlich das gesamte Star-Trek-Universum beleuchtet.
Kafkaesk
Ansonsten müssen Klingonen-Fans
aber über den großen Teich schauen, um Brüder und
Schwestern zu finden. Dabei gibt es aber in allen Ländern
Gemeinsamkeiten: Viele Klingonen-Fans im Netz unterteilen sich in
Schiffe (Untergruppen) und entwickeln die klingonische Sprache
weiter.
Die größte Organisation auf dem amerikanischen
Kontinent ist wohl die Klingon
Assault Group. Sie verwaltet mehrere hundert Mitglieder
und versorgt sie mit neuestem Trekkie-Futter, pflegt Bräuche
und Sitten und macht vor allem Parties. Da aber viele Seiten
dieser und anderer Gruppen im Netz bereits auf klingonisch
veröffentlicht werden, sollte jeder, der sich ernsthaft mit
dieser Materie beschäftigen will, einige Einführungen
in die Sprache über sich ergehen lassen. So stellt
z. B. die Klingon
Warrior Society ein kleines Lexikon zur Verfügung.
Und aus dem fernen Japan führt das Tabashi Klingon Information
Center wöchentlich neue Begriffe ein, die ins
Englische und Japanische übersetzt werden. Die neuen
Kenntnisse kann man im übrigen gleich anwenden: Das Center
hat diverse Werke von Kafka komplett ins Klingonische
übersetzt.
Vorreiter dieser Sprachbewegung ist
zweifellos das Klingon Language
Institute. Bereits 1992 gegründet, hat das Institut
mittlerweile über 1000 Mitglieder und verlegt bereits
Bücher in der Kunstsprache. Die neueste
Veröffentlichung ist Hamlet im klingonischen Original.
Zerkratzte Rücken
Ein echter Klingone muß aber nicht
nur reden können, er muß auch wie ein Klingone
aussehen und sich so benehmen können. Für die
Ausrüstung stehen die Bluesky
Productions zur Verfügung. Sie stellen Helme,
Rüstungen, Handschuhe und die berühmten Kampfsicheln
der Klingonen her. Letztere sind allerdings noch in der
Erprobung, denn, so der Hersteller: sie sind noch nicht
für den Kampf ausbalanciert.
Als kleiner Test schließlich für die verbalen
Fähigkeiten ist die Klingon
Bastard Home Page angelegt. Das Wort Bastard
ist hier durchaus positiv besetzt. Zum Thema Autofahren stellt
der Autor fest, daß keine Überholspur zu schmal sei,
um sie benutzen zu können. Und was die Frauen angeht: Die
müssen ebenso hart wie der klingonische Mann sein. Doch wie
erstaunlich, Klingonen-Männer zerkratzen zwar den
Rücken der Partnerin im Liebesspiel, aber wenn sie aufsteht,
dann macht ihr der klingonische Mann die Tür
auf.
Michael Suck
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