Volker Hatlauf:   - Liebesgedichte


MASSLOS

das maß ist
voll
     zu oft habe ich
     mich verschätzt

heute bin ich
messbereit

doch dann bist plötzlich du da

und alles scheint
vermessen

     denn ich
     schätze dich

über alle
maßen




SCHMERZFREI

wahrnehmungslos
kauern
frostdurchdrungen
körperinhalte
kältetaub
innerhalb
jener
überdosis
schmerzsplitter

irgendwann
entstehen
tautropfen
weltenwechselnd
mild
mundaufliegend
widergeboren
jeglicher
schwerkraft

gleichmäßig
durchmessen
unsere
ewigkeit
traumlose
tümmler




ZWISCHEN UNSEREN HÄNDEN

Hände
erfassen
die Welt;
gefühlslicht
durchstreichen
wir einander,
finden
und erfinden uns in
Hautmomenten,
fassen
und lassen uns
mit zartlila
Spitzfingrigkeit.

Hände
fassen Fuß;
luftkörperdurchgrabend
mischen
wir einander,
fallen
Zwischenräume in
Berührungswärme.

Augenlicht
entsteht
zwischen unseren
Händen.




SIERRA LEONE

Im Schlummer riß man uns
den Kopf vom Leib -
noch taub vom Kuß,
der nachts uns überraschte.
Die abgeschlag'nen Köpfe rollen
ziellos nun umher,
reissend,
sich neue Hälse zu suchen.
Was von uns blieb
hat man vor die Pyramiden gesetzt,
ihm goldne Häupter auf die Schultern
gedrückt und gewartet,
dass sie anwüchsen.
Nun übt man sich in Ehrfurcht
vor der Sphinx,
vor dem Zentauren,
von dessen Halse Eiter tropft.
Wir aber waren
bevor die Pyramiden waren,
und unsere abgeschlag'nen Köpfe rollen
ziellos nun umher,
reissend,
sich neue Hälse zu suchen.