Parsifal reitet
Büromädchen kämmen sich, Huren erhängen sich, Parsifal reitet durchs Teppichhotel,
Türhüter winseln im Dollargebell, die ewige Wunde, der Stich in das Fleisch, Hände hoch und an die Wand, die Deutsche Bank wird niemals krank, sie lächeln, sie pfeifen, sie brüllen, sie lahmen,
wer zahlt die Kredite, einen Schnaps für die Damen, Parsifal blutet, die ewige Wunde, Götter aus Leder und Chirurgen aus Linz,
die Bauspekulanten, die Geldfabrikanten, die neuen Wilden und alten Tanten: hier üben sie den freien Fall, im Neonstaub stirbt Parsifal.
Rückwärts
Wir lassen uns rückwärts auszählen. Nach jedem Schlag Musik. Mit uns haben wir nichts mehr am Hut. Und mit unseren Wünschen. Noch vor dem großen Knall aus dem Sessel zu kippen, das wäre ein Glück.
Doch es geschieht nichts. Der Himmel ist trübe, die Schornsteine glühen, und wer sich bescheidet, dem ist auch die Wüste ein Wald.
Fortschritte in der Chaosforschung
Bloß keine Umstände,
sagen Sie einfach Ich zu mir
oder lassen Sie mich ganz weg.
Schließlich weiß hier keiner so genau,
wo der Nächste beginnt.
Zerstreuen Sie sich,
aber bleiben Sie liegen.
Schließen Sie die Augen
und hören Sie weg.
Sie müssen fühlen, was sie fühlen, wenn Sie nichts fühlen.
Oder gehören Sie etwa auch zu den Leuten, die bei jedem Schuß bluten?
Pflanzliche Fette, rate ich Ihnen,
und tierische Intelligenz.
Doch alles mit Maßen
und immer den Kopf schief.
Der Rest ist ganz leicht.
Zwischenbilanz
Glück gehabt und überlebt.
Das Rauchen nicht mehr angefangen.
Mit mir selbst im reinen, was
den Zahnarzt angeht. Die Miete bezahlt,
die Zeitung gelesen, mit Anstand
gelitten am Elend der Welt.
Das tiefste Leid, die Langeweile,
beständig gekreuzt mit dem höchsten
der falschen Gefühle. Zwei Kilo
dabei zugenommen, einen akademischen
Titel erworben und, wie alle echten Radikalen,
die Liebe zur Oper entdeckt.
Kopf hoch
Kopf hoch, sagte der Henker
Und Schluß mit der Schwarzmalerei
Immer nur Heulen und Jammern
Und niemals ein richtiger Schrei
|
Liebe Not
Die folgenden Gedichte stammen aus dem kleinen Buch "Liebe Not", edition suhrkamp, Bd. 373, erschienen 1986. "Einsicht" war mal in der ZEIT abgedruckt.
Sie faszinieren mich noch immer. Ob Sie Dir auch gefallen?
|
Einsicht |
______________________________
Noch ist alles möglich.
Wir haben uns flüchtig gestreift.
Der Rest: wahrscheinlich tödlich.
Die Kunst: daß man es begreift.
Wir sollten es dabei belassen.
Ein Hauch ist fast wie ein Kuß.
Sich lieben heißt auch, sich verpassen
auf andere Art. Und Schluß.
|
______________________________
Daß sich ihr Schlaf
Mit seinem Schlaf vermischte
Daß ihre Furcht sich
Ganz in ihm verlor
Daß er sie auch
An kalten Tagen küßte
Daß sie in seinen
Armen niemals fror
Daß sich ihr Fleisch
Nicht mehr an seinem rieb:
Das war es was
Sie auseinandertrieb.
|
Was es war |
Die Wolken |
______________________________
Die Wolken, sagst du,
der Wind und der Regen,
die Steine, sagst du,
die Nacht und der Tag
Wenn es ihn gäbe,
den Wind und den Regen,
wenn es sie gäbe,
die Nacht und die Steine
Wenn es dich gäbe,
wir liebten uns längst.
|
______________________________
Sie verging schnell,
unsere wortlose Zeit, als nur
die Berührungen zählten
Und wir noch wußten,
wie groß die Liebe sein kann,
wenn keiner dem andern
gehört.
|
Wortlose Zeit |
Was soll ich sagen |
______________________________
Was soll ich sagen:
daß ich täglich mit dem
Buß fahre, über uralte Plätze
gehe, in großen Palästen
verkehre, wie alle.
Esse, mich wasche,
wann immer ich will und
Kreidestaub im Haar
nach Hause trage.
Ja, einmal besang
eine bläuliche Dame ein
schwarzes Klavier. Danach fuhr
ich Taxi bis der Spätfilm begann.
Doch was soll ich sagen:
Daß ich noch immer
deine Briefe im Briefkasten
finde, in denen du nach
meinen Tagen suchst..
|
|