___zurück zur Homepage_________Hans-Ulrich Treichel_____________Gedichte_____________
Parsifal reitet

Büromädchen kämmen sich, Huren erhängen sich, Parsifal reitet durchs Teppichhotel, Türhüter winseln im Dollargebell, die ewige Wunde, der Stich in das Fleisch, Hände hoch und an die Wand, die Deutsche Bank wird niemals krank, sie lächeln, sie pfeifen, sie brüllen, sie lahmen, wer zahlt die Kredite, einen Schnaps für die Damen, Parsifal blutet, die ewige Wunde, Götter aus Leder und Chirurgen aus Linz, die Bauspekulanten, die Geldfabrikanten, die neuen Wilden und alten Tanten: hier üben sie den freien Fall, im Neonstaub stirbt Parsifal.



Rückwärts

Wir lassen uns rückwärts auszählen. Nach jedem Schlag Musik. Mit uns haben wir nichts mehr am Hut. Und mit unseren Wünschen. Noch vor dem großen Knall aus dem Sessel zu kippen, das wäre ein Glück. Doch es geschieht nichts. Der Himmel ist trübe, die Schornsteine glühen, und wer sich bescheidet, dem ist auch die Wüste ein Wald.



Fortschritte
in der Chaosforschung

Bloß keine Umstände, sagen Sie einfach Ich zu mir
oder lassen Sie mich ganz weg.

Schließlich weiß hier keiner so genau, wo der Nächste beginnt.

Zerstreuen Sie sich, aber bleiben Sie liegen. Schließen Sie die Augen und hören Sie weg.

Sie müssen fühlen, was sie fühlen, wenn Sie nichts fühlen.

Oder gehören Sie etwa auch zu den Leuten, die bei jedem Schuß bluten?

Pflanzliche Fette, rate ich Ihnen, und tierische Intelligenz.

Doch alles mit Maßen und immer den Kopf schief. Der Rest ist ganz leicht.



Zwischenbilanz

Glück gehabt und überlebt. Das Rauchen nicht mehr angefangen. Mit mir selbst im reinen, was den Zahnarzt angeht. Die Miete bezahlt, die Zeitung gelesen, mit Anstand gelitten am Elend der Welt.

Das tiefste Leid, die Langeweile, beständig gekreuzt mit dem höchsten der falschen Gefühle. Zwei Kilo dabei zugenommen, einen akademischen Titel erworben und, wie alle echten Radikalen, die Liebe zur Oper entdeckt.


Kopf hoch

Kopf hoch, sagte der Henker
Und Schluß
mit der Schwarzmalerei
Immer nur Heulen und Jammern
Und niemals ein richtiger Schrei

Liebe Not

Die folgenden Gedichte stammen aus dem kleinen Buch "Liebe Not", edition suhrkamp, Bd. 373, erschienen 1986. "Einsicht" war mal in der ZEIT abgedruckt.

Sie faszinieren mich noch immer. Ob Sie Dir auch gefallen?

Einsicht

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Noch ist alles möglich.

Wir haben uns flüchtig gestreift.

Der Rest: wahrscheinlich tödlich.

Die Kunst: daß man es begreift.

Wir sollten es dabei belassen.

Ein Hauch ist fast wie ein Kuß.

Sich lieben heißt auch, sich verpassen

auf andere Art. Und Schluß.

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Daß sich ihr Schlaf

Mit seinem Schlaf vermischte

Daß ihre Furcht sich

Ganz in ihm verlor

Daß er sie auch

An kalten Tagen küßte

Daß sie in seinen

Armen niemals fror

Daß sich ihr Fleisch

Nicht mehr an seinem rieb:

Das war es was

Sie auseinandertrieb.


Was es war

Die Wolken

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Die Wolken, sagst du,

der Wind und der Regen,

die Steine, sagst du,

die Nacht und der Tag

Wenn es ihn gäbe,

den Wind und den Regen,

wenn es sie gäbe,

die Nacht und die Steine

Wenn es dich gäbe,

wir liebten uns längst.

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Sie verging schnell,

unsere wortlose Zeit, als nur

die Berührungen zählten

Und wir noch wußten,

wie groß die Liebe sein kann,

wenn keiner dem andern

gehört.

Wortlose Zeit

Was soll ich sagen

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Was soll ich sagen:

daß ich täglich mit dem

Buß fahre, über uralte Plätze

gehe, in großen Palästen

verkehre, wie alle.


Esse, mich wasche,

wann immer ich will und

Kreidestaub im Haar

nach Hause trage.


Ja, einmal besang

eine bläuliche Dame ein

schwarzes Klavier. Danach fuhr

ich Taxi bis der Spätfilm begann.

Doch was soll ich sagen:


Daß ich noch immer

deine Briefe im Briefkasten

finde, in denen du nach

meinen Tagen suchst..